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Kai Wenzel: Sachsen und die Lausitz sind wichtige Orte für die Kunst der Druckgrafik in Deutschland und darüber hinaus. Druckgrafik gehört sozusagen zur künstlerischen DNA beider Landschaften. Es gibt hier eine lange druckgrafische Tradition vor allem durch die Ausbildung an den Kunsthochschulen in Dresden und Leipzig. Sie sind Fixpunkte in den Biografien vieler Künstlerinnen und Künstler, deren Werke wir in der Ausstellung zeigen. So begegnen sich hier Meister und ihre einstigen Schüler. Daher ist unsere Schau im besten Sinne des Wortes auch ein Blick in die regionale Kunstgeschichte und ihre zeitgenössische Fortschreibung.
Silke Wagler: Vielleicht steht Druckgrafik heute etwas im Schatten neuerer Kunstformen wie der Fotografie oder der Videokunst. Sie zu unterschätzen wäre aber unangebracht, wie unsere Ausstellung hoffentlich auch zeigen wird. Denn Druckgrafik ist ein sehr gegenwärtiges Medium, das insbesondere in Sachsen und der Lausitz von vielen Künstlerinnen und Künstlern genutzt wird und beim Publikum beliebt ist.
Kuratorin Silke Wagler
Kai Wenzel: Druckgrafik ist ein traditionsreiches künstlerisches Medium, das eine überraschende Aktualität besitzt. Künstlerinnen und Künstler verwenden jahrhundertealte Techniken wie den Holzschnitt, die Radierung oder den Kupferstich heute ganz selbstverständlich und entwickeln sie dabei ständig weiter. Auf diese Weise entstehen eindrucksvolle Werke in großer stilistischer und technischer Vielfalt.
Silke Wagler: Die Besonderheit der Ausstellung liegt zum einen im umfassenden Überblick über wichtige Positionen der zeitgenössischen Druckgrafik aus Sachsen und der Lausitz aus den vergangenen drei Jahrzehnten, in denen die Technik einen neuen Boom erlebt hat. Es sind hier Künstlerinnen und Künstlern aus drei Generationen versammelt. Wir zeigen Werke von prominenten Künstlerinnen und Künstlern wie A. R. Penck, Angela Hampel, Rosa Loy oder Michael Triegel. Aber auch weniger bekannte Namen wird es zu entdecken geben. Gleichzeitig bietet die Ausstellung einen Blick in die Sammlungen des Kunstfonds der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und des Graphischen Kabinetts der Görlitzer Sammlungen. Der Kunstfonds gehört zu den größten Sammlungen zeitgenössischer Kunst im Osten Deutschland. Sein Bestand wird alljährlich durch die Förderankäufe der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen erweitert. Das Graphische Kabinett des Kulturhistorischen Museums wiederum ist eine der größten Grafiksammlungen in kommunaler Trägerschaft in Deutschland. Auch hier werden die Bestände alljährlich durch Ankäufe und Schenkungen erweitert.
Kai Wenzel: Die Ausstellung ist bereits die vierte Kooperation der Görlitzer Sammlungen mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Beide Institutionen ergänzen sich auf wunderbare Weise. Während die Dresdener Kolleginnen und Kollegen ihr Augenmerk stärker auf die Kunst in Sachsen legen, ist der Sammlungsschwerpunkt unseres Museums stärker auf die Lausitz ausgerichtet. In der Zusammenschau ergeben die Werke aus beiden Sammlungen ein umfassendes Bild über die zeitgenössische Kunst in den beiden Landschaften.
Silke Wagler: Ja, es gibt unterschiedlichste Werke in der Ausstellung zu sehen. Vertreten sind realistische und abstrakte Arbeiten in nahezu allen Drucktechniken, also Radierung, Lithografie, Holzschnitt, Linolschnitt, Kupferstich, Offsetdruck, Siebdruck und weitere. Es sind auch ungewöhnliche Formen von Druckgrafik zu sehen, zum Beispiel mehrere Meter große Holzschnitte oder Grafiken, die Teile von Installationen sind. Sie zeigen, wie die Grenzen des Mediums Druckgrafik in der Gegenwart immer wieder neu vermessen werden, indem Künstlerinnen und Künstler die traditionsreichen Techniken auf neue Art und Weise interpretieren.
Kurator Kai Wenzel
Kai Wenzel: Vielleicht haben manche Besucherinnen und Besucher Berührungsängste im Umgang mit abstrakter Kunst, was eigentlich völlig unnötig ist. Denn der Besuch einer Kunstausstellung ist keine intellektuelle Prüfung. Es lohnt immer, sich unbefangen auf ein Werk einzulassen. Gute Kunst hat immer etwas zu sagen, auch ohne dass man dafür viel Hintergrundwissen benötigt.
Silke Wagler: Im Prinzip kann man das so sehen. In der Ausstellung selbst können die Besucherinnen und Besucher das Medium Druckgrafik in großer technischer und stilistischer Vielfalt erleben. Doch darüber hinaus wollen wir auch ganz praktische Erfahrungen vermitteln und damit das Verstehen fördern und im besten Fall Begeisterung für unterschiedliche Drucktechniken wecken. So bieten wir Druckwerkstätten, in denen der Umgang mit der Druckerpresse gezeigt wird. Auch Linolschnitt und Siebdruck kann hier ganz unmittelbar ausprobiert werden. Hinzu kommen 14 Kunstpausen, ein beliebtes Kurzführungsformat, das wir immer mittwochs 12.12 Uhr anbieten. Es wird sechs Kuratorenführungen, einen Vortrag, Lehrerfortbildungen und Ferienprogramme geben. Also jede Menge Gelegenheit, der Druckgrafik ganz individuell zu begegnen.
Kai Wenzel: Mit einem Künstler der Gegenwart, Konrad Henker, schlagen wir einen Bogen vom Heute ins 18. Jahrhundert. Ab dem 24. März wird im Ausstellungsraum unseres Graphischen Kabinetts im Barockhaus, Neißstraße 30, die Kabinettausstellung »Ins Gebirge« zu sehen sein. Auch sie ist eine Kooperation mit dem Kunstfonds der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. In ihr werden großformatige Radierungen des Künstlers Konrad Henker aus dem Jahr 2005 auf Zeichnungen von Adolf Traugott v. Gersdorf und Karl Andreas v. Meyer aus den 1780er Jahren treffen. Den Werken gemeinsam ist, dass sie Gebirgsansichten zeigen. Erhabene, schneebedeckte Gipfel sind die Protagonisten der Bilder. Überdies sind die Entstehungsgeschichten der Arbeiten sehr spannend. Die direkte Begegnung von zeitgenössischen Druckgrafiken mit historischen Zeichnungen legt verblüffende Parallelen offen, die es zu entdecken lohnt. Eine schöne und bereichernde Ergänzung also zu unserer Ausstellung »Über Druck« im Kaisertrutz.
Das Gespräch führte Ina Rueth