Sammlungsbestände

Die als Universalbibliothek der Spätaufklärung angelegte Büchersammlung verdankt ihr Entstehen zu einem großen Teil den privaten Stiftungen des Gutsherrn und Naturwissenschaftlers Adolf Traugott von Gersdorf und des Juristen, Sprachforschers und Historikers Karl Gottlob von Anton. Dementsprechend baut deren thematische Ausrichtung auf den wissenschaftlichen Neigungen der beiden Gründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften auf. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts profilierte sich die Gesellschaft jedoch zunehmend als regionaler Geschichtsverein und verlegte damit den Fokus der Buchanschaffungen auf historische Forschungsliteratur.

Das Archiv der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften bietet in großer Fülle Material zu wissenschaftlichen Netzwerken, musealer Sammlungsgeschichte, bibliografischen Untersuchungen oder biografischen Fragestellungen für einen Zeitraum vom ausgehenden 18. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts.

Neben den Akten der Gesellschaft stehen außerdem Nachlässe von Wissenschaftlern und Künstlern, Briefsammlungen, regionalgeschichtliche Abhandlungen, Tagebücher sowie Urkunden und Regesten für eine Auswertung bereit. Von besonderen Wert sind die Reisetagebücher des Adolf Traugott von Gersdorf aus den Jahren 1765–1806 sowie die umfangreichen Korrespondenzbände der beiden Gesellschaftsgründer v. Gersdorf und Karl Gottlob v. Anton. Die von den Mitgliedern der Gesellschaft jährlich einzureichenden Manuskripte spiegeln das breite Spektrum des Forschungsinteresses der ersten Jahrzehnte seit der Gründung dieser Sozietät 1779 wider.

Die 1726 von Johann Gottlieb Milich aus Schweidnitz/Świdnica gestiftete Büchersammlung war die erste öffentliche Bibliothek in Görlitz. Durch Zusammenlegung mit der einstigen Klosterbibliothek und den Buchbeständen des Gymnasiums entstand ein außergewöhnlich reicher Bestand vorwiegend theologischer, historischer und juristischer Werke des 16. bis 18. Jahrhunderts. Schenkungen Görlitzer Bürger sowie Ankäufe erweiterten die Sammlungen bis in das 20. Jahrhundert auf vielen Wissensgebieten. Die im Zweiten Weltkrieg erfolgten Auslagerungen und die daraus resultierenden Verluste haben den Bestand zwar empfindlich geschmälert, dennoch enthält die Milich'sche Bibliothek noch immer zahlreiche bibliophile Kostbarkeiten.

Die Überlieferung der »Gichtelianer« oder auch »Engelsbrüder«, einer religiösen Gruppe von Jakob-Böhme-Anhängern aus Linz am Rhein, umfasst Handschriften und Drucke vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, darunter zahlreiche Schreiben der Gründer der Gemeinschaft Johann Georg Gichtel und Johann Wilhelm Überfeld.

Der Görlitzer Ratsarchivar Friedrich Pietsch setzte sich Anfang der 1940er Jahre für die Überführung des Bestandes in die Stadt Jakob Böhmes ein, nachdem das Linzer Archiv von den Nationalsozialisten beschlagnahmt worden war. Zum Schutz vor Luftangriffen wurde es allerdings schon ab 1942 ausgelagert. Nach Kriegsende befanden sich Teile des Konvolutes auf nunmehr polnischen Territorium und wurden nach Breslau/Wrocław verbracht, während der heute in der OLB vorhandene Bestand nach Görlitz zurückkehrte.

Die Kartensammlung der OLB umfasst etwa 3.000 Landkarten. Die ältesten topografischen Darstellungen reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Besonders wertvoll ist der 12 Bände umfassende Weltatlas des Amsterdamer Kartografen Johannes Blaeu, der im Jahr 1663 als französische Ausgabe unter dem Titel »Le Grand Atlas« erschien. Er gilt als das teuerste und umfangreichste Kartenwerk des 17. Jahrhunderts. Ein Gesamtverzeichnis der Kartensammlung der OLB liegt gedruckt vor. Zahlreiche Karten und Pläne stehen bereits digital über das »Kartenforum« bei der Deutschen Fotothek zur Verfügung.

Kartenforum Sachsen

Die Nachlässe von Oberlausitzer Schriftstellern, Komponisten und Historikern sind als Spezialsammlung der OLB von besonderem Quellenwert. Zunächst nahm die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften ausschließlich Materialien ihrer Mitglieder auf, wie etwa den musikalischen und literarischen Nachlass Leopold Schefers. Später erweiterten sich die Sammlungen durch Schenkungen oder testamentarische Verfügungen, ohne dass eine Mitgliedschaft des Verstorbenen in der OLGdW zwingend notwendig war. Nach 1951 erwarb die OLB weitere Konvolute, jetzt allerdings vorrangig mit Görlitzer Bezug.

Kaum ein zweiter deutscher Autor der jüngeren Literaturgeschichte fand eine so enthusiastische Anhängerschar wie Arno Schmidt, den viele autobiografische Werksplitter mit Görlitz verbinden. Dank einer Schenkung der Gesellschaft der Arno-Schmidt-Leser verfügt die OLB über sein Gesamtwerk sowie ergänzende Dokumente zu seiner Person.

In Schmidts erstem Erzählband »Leviathan« 1949 verarbeitete er die Jugenderinnerungen, die er als Gymnasiast in Görlitz und seinem Wohnort Lauban/Luban sammelte. Auch die spätere Beschäftigung mit dem Werk des Muskauer Dichters Leopold Schefer rührt aus Anregungen in seiner Görlitzer Schulzeit her. Da sich Arno Schmidt auch intensiv mit mathematischen Fragestellungen beschäftigte, gehören zahlreiche Bände mit Logarithmen-Tafeln zum Bücherbestand. Von seinem monumentalen Hauptwerk »Zettels Traum« liegen mehrere Ausgaben vor.

Der Nachlass des Mühlenforschers Günter Rapp umfasst neben umfangreichen Registern und Notizen zu Mühlenstandorten vornehmlich in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt auch 15.700 Fotografien, die über die Deutsche Fotothek online zu betrachten sind.

Neben ca. 14.000 eigenhändigen Kleinbildaufnahmen in Schwarzweiß handelt es sich um eine Sammlung von 1.700 Positiven.

2005 wurden die Negative der Deutschen Fotothek in der Sächsischen Landesbibliothek/Staats- und Universitätsbibliothek Dresden übergeben, welche in Kooperation mit der OLB den gesamten Bildbestand digitalisierte und für die Recherche im Internet aufarbeitete.

Darüber hinaus stehen in der OLB umfangreiche schriftliche Materialien zur Verfügung, die detailreiche Studien zu Wind- und Wassermühlen der Region ermöglichen. Die zum Mühlenarchiv gehörigen Glocken aus verschiedenen Mühlen sind besonders rare Sammlerstücke.

Bestände bei der Deutschen Fotothek

Mit mehr als 1.500 Aufsätzen und Monografien steht eine der weltweit größten Materialsammlungen zu Leben und Werk des Görlitzer Philosophen zur Auswertung bereit. Zahlreiche Ausgaben der Schriften des »philosophus teutonicus« ergänzen diesen Bestand.

Zu den besonders seltenen Drucken gehört ohne Zweifel »Der Weg zu Christo« aus dem Jahr 1624. Es ist das einzige Werk, das zu Lebzeiten Böhmes im Druck erschien. Auch die gedruckte Entgegnung seines größten Widersachers, des Görlitzer Pastor Primarius Gregor Richter, ist in einer Ausgabe von 1624 vorhanden. Die Werksausgabe aus dem Jahr 1682, die der Mystiker Johann Georg Gichtel in Amsterdam verlegen ließ, steht am Anfang einer bis heute ungebrochenen Rezeption der theosophischen Texte Jakob Böhmes. Für die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften ist es erklärtes Sammlungsziel, durch den Erwerb historischer Ausgaben und aller Neuerscheinungen den Bestand zu vervollständigen und aktuell zu halten.

Die im Jahr 1799 einsetzende Überlieferung regionaler und lokaler Zeitungen ist sowohl für Wissenschaftler als auch für Ortschronisten und Familienforscher eine wertvolle Informationsquelle. Zu einem großen Teil liegen die einzelnen Jahrgänge mikroverfilmt vor und können an modernen Lesegeräten ausgewertet werden.

Neben den verschiedensten Oberlausitzer Tageszeitungen verdienen auch die Bestände an Betriebszeitungen besondere Beachtung. Vielfach gaben die volkseigenen Betriebe (VEB) in regelmäßigen Abständen eigene Blätter zur Information ihrer Mitarbeiter heraus. Für die Geschichte dieser Unternehmen lassen sich daraus interessante Details gewinnen. Die Beilagen »Die Heimat« sowie die »Niederschlesischen Heimatblätter« der Görlitzer Tageszeitungen wiederum enthalten umfangreiches Material zu Brauchtum, Ortschronistik oder Denkmalpflege der östlichen Oberlausitz aus den 1920er und 1930er Jahren.